Rheinsteig wandern: von Kaub nach Lorch

Mit Rhein-Panoramen durch geschichtsträchtiges Gelände zum Rheingau-Wein

Die Rheinsteig-Wanderung von von Kaub noch Lorch führt von Rheinland-Pfalz ins hessische Rheingau. Wie alle Rheinsteig-Etappen kann man natürlich auch die von Kaub nach Lorch in entgegengesetzter Richtung wandern. Bevor man Rheinland-Pfalz verlässt, um das Tor zum Rheingau durchschreiten und vielleicht beim Weinstand im Niedertal ein Päuschen zu machen, läuft man einige Kilometer. Und ein paar Höhenmeter geht es gleich zu Anfang hoch. Doch das macht nichts.

Die Blicke auf die aus der Höhe winzig erscheinende ehemalige Zollburg Pfalzgrafenstein im Rhein und Burg Gutenfels belohnen den etwas steileren Anstieg. Wie die Marksburg gehört auch die Pfalzgrafenstein zu den wenigen Burgen im Oberen Mittelrheintal, die nie zerstört wurden. Die Zollburg wurde Mitte der 1320er Jahre erbaut – und man muss zugeben, dass sie sich für ihr betagtes Alter ziemlich gut gehalten hat. Anders Burg Gutenfels (kann nicht besucht werden, da im Privatbesitz): Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde die Burg zwar mehrfach erobert – blieb jedoch erhalten. Was der Dreißigjährige Krieg nicht geschafft hat, erledigte später Napoleon: 1793 bereits wurde Burg Gutenfels kampflos den Franzosen überlassen, 1806 ließ Napoleon sie sprengen.

Durch abwechslungsreiche Landschaften mit Weinbergen, Eichenwäldern oder sich eindrucksvoll auftürmendem Schiefer geht es weiter. Durch Volkenbachtal und Schenkelbachtal führt der Rheinsteig ins Niederbachtal – und damit ins hessische Rheingau.

Grenzstein, Galgen & eigenes Geld am Rheinsteig

Mit dem etwas abgeschieden wirkenden Niedertal betritt man geschichtsträchtiges Gelände: Zunächst zeigen symbolisches Tor und Grenzstein an, dass wir Rheinland-Pfalz verlassen haben und im hessischen Rheingau angekommen sind. Und damit auch im ehemaligen Freistaat Flaschenhals. Der existierte für kurze Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Die Besatzer zogen zwischen dem US-amerikanischen Brückenkopf von Koblenz und dem französischen Brückenkopf bei Mainz Kreise um ihre Zonen. Da diese sich lediglich berührten, aber nicht überschnitten, fiel ein Stückchen Deutschland in Form eines Flaschenhalses nicht in diese Kreise. Der Freistaat druckte sogar eigenes Notgeld, das noch heute bei Auktionen beliebt ist. Außerdem standen im Niedertal ehemals zwei Galgen: ein kurpfälzischer und ein kurmainzischer (weitere Infos zum Freitstaat-Notgeld mit seinen Sprüchen oder zu den Galgen: bitte Unterkapitel aufklappen).

Heute noch vertreiben Winzer und Gastronome Weine, Winzersekte und Edelbrände unter dem Siegel der 1994 gegründeten „Freistaat-Flaschenhals-Initiative“. Der Freistaat Flaschenhals ist nicht nur eine kleine Lektion in Sachen Geschichte, sondern auch in Sachen Geometrie: Nach dem Ersten Weltkrieg nämlich zogen die Besatzer zwischen dem US-amerikanischen Brückenkopf von Koblenz und dem französischen Brückenkopf bei Mainz Kreise um ihre Zonen. Da diese sich lediglich berührten, aber nicht überschnitten, fiel ein Stückchen Deutschland zwischen dem Rhein und dem unbesetzten Teil der preußischen Provinz Hessen-Nassau in Form eines Flaschenhalses nicht in diese Kreise. Der Freistaat Flaschenhals war geboren. Allerdings war er vom Rest der Weimarer Republik abgeschnitten. Aber: Not macht erfinderisch.

Man druckte eigenes Notgeld, das noch heute bei Auktionen beliebt ist. Lokale Sehenswürdigkeiten zierten die Scheine, aber auch stolzer Widerstandsgeist mittels aufgedruckter Sprüche wie »In Lorch am Rhein, da klingt der Becher, denn Lorcher Wein ist Sorgenbrecher« oder »Nirgends ist es schöner als in dem Freistaat Flaschenhals«. Durch die abgeschnittene Lage drohten zeitweise Versorgungsengpässe und Hunger. Mit der Zeit blühte daher der Schmuggel: So kamen beispielsweise Tiere und Kohlen aus den besetzten Teilen in den Freistaat, und im Gegenzug wechselten Wein und Schnaps die Grenzen. Auch in Lorch sieht man immer wieder Schilder, die auf die frühere Existenz des „winzigen Staates“ verweisen.

Über die Galgen, die es früher im Niedertal gab, kann man u. a. bei Wilhelm Oertel von Horn in „Der Rhein. Geschichte und Sagen seiner Burgen, Abteien, Klöster und Städte“ lesen: „Die jenseitige, rechtsrheinische Grenze des Rheingau’s war das Niederthal unter den Felsen der Wirbellai. Sie wurde bezeichnet durch zwei Galgen, welche auf einige Entfernung vom Rheinufer die Felsen des Niederthals, gerade der Bacharacher Insel gegenüber, zierten. Der kurpfälzische war ein bescheidener Zweibein, der kurmainzische ein Dreibein, größer, hervorragender, und man sagt, reichlicher bevölkert als der, welcher dem weltlichen Kurfürsten zur Ableitung unsaubern Blutes diente. Beide Monumente mittelalterlicher Justiz und Gesittung verschwanden 1810, doch wird die Stelle und Flurbezeichnung „am Galgen“ durch den Mund des Volkes und die Ueberlieferung der sogenannten „Stockbücher“ wahrscheinlich verewigt werden, wenn auch die Gänsehaut, welche der Anblick der Galgen und die sich daran knüpfenden Spukgeschichten dem Vorübergehenden sonst brachten, jetzt ausbleibt.“

Entlang des wilden Gefährs zur Ruine Nollig auf dem Rheinsteig

Aussichtspunkt Wirbelley, das Tempelchen Lorchhausen, schöne Blicke auf Bacharach und die Burg Stahleck lassen Galgengeschichte und Notgeld bald vergessen. Auch passiert man auf dem Rheinsteig nach Lorch das sogenannte wilde Gefähr: ein etwa 400 Meter langer Felsabschnitt mit starkem Gefälle im Rhein zwischen Kaub und Bacharach. Wie der Name wildes Gefähr andeutet, gehörte die Passage ehemals zu einer der schwierigsten für die Rheinschifffahrt. Ähnelte sie doch einer Stromschnelle. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde dieser Abschnitt jedoch ausgebaut und somit besser befahrbar gemacht.

Kurz vor Lorch streckt sich auf dem 331 Meter hohen Nollig die Anfang des 14. Jahrhunderts gleichnamige Ruine in den blauen Himmel. Wie die Burg Gutenfels ist auch die Nollig in Privatbesitz und kann nicht besucht werden. Wie auch andere Rheinsteig-Burgen gehört Ruine Nollig ebenfalls zum UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal. Doch nicht nur die ehemalige Höhenburg steht unter Schutz. Auch das Gelände um sie herum. Einige Schilder im Umfeld der Ruine weisen darauf hin: Das Gebiet gehört in Hessen zu den Lebensräumen mit der höchsten Artenvielfalt und wird daher geschützt.

Abstieg alpin

An der Bank kurz nach der Ruine Nollig geht es dann bergab. Doch man kann und sollte sich entscheiden: Der bisweilen etwas steile und mit einem Drahtseil gesichertere schmale Felsenpfad ist Teil des eigentlichen Rheinsteigs. Er lohnt sich wegen seines alpinen Charakters und der schönen Wegführung auf jeden Fall – sollte aber nur bei Trittsicherheit und gutem Schuhwerk begangen werden. Auch bei Regen ist er wegen Rutschgefahr nicht empfehlenswert. Doch man muss diesen Steig nicht passieren. Links von ihm führt der Weg weiter – auf den man im Übrigen auch wieder stößt, wenn man über den schmalen Steig „abgestiegen“ ist.

Wenig später erreicht man Lorch mit dem Stadtturm Strunk, der Wisperbrücke über die Wisper samt Statue des Heiligen Johannes Nepomuk.

Rheinsteig-Etappe von Kaub nach Lorch abkürzen

Ein Blick auf die Karte (z. B. meiner Komoot-Aufzeichnung der Wanderung) zeigt, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, eine kürzere Wanderung zu machen:

Weniger als 10 Kilometer: Beim Start in Kaub von Adolfstraße aus südöstlich laufen und den Weg nehmen, der unterhalb des Rheinsteigs in Richtung Süd-Osten verläuft. Nach dem Schenkelbach trifft er auf den Rheinsteig. Dann weiter bis nach Lorch laufen. Außerdem kann man noch vor der Ruine Nollig nach Lorchhausen hinablaufen. Dort gibt es einen Bahnhof.

Ca. 11 Kilometer dürfte die Wanderung lang sein, wenn man der Rheinsteig-Etappe von Kaub aus folgt, vor der Ruine Nollig dann jedoch nach Lorchhausen zum Bahnhof hinabläuft.

Weitere Rheinsteig-Etappen (bis 15, bis 25 und bis 30 Kilometer) gibt’s schon in Text und Bild auf diesem Blog – und zwar unter

„Rheinsteig wandern: schönste Etappen“ >>

Rheinsteig-Wanderung Kaub – Lorch: Weitere Infos & GPS-Daten

Länge: 14,5 km von Bahnhof zu Bahnhof (ÖPNV-freundlich verlängerbar und abkürzbar) | Auf-/Abstieg: 490 Hm auf und 500 Hm ab | Dauer: 3 bis 4 Std. reine Gehzeit | Anfahrt: mit ÖPNV möglich | Technik: + + + + + + | Kondition: + + + + + + | Landschaft: + + + + + + | Erlebnis: + + + + + +

Hin & weg etc.

Anfahrt/Rückfahrt: Mit Bahn und/oder Bus nach/von Kaub oder Lorch +++ Ansprechpartner: Rheinsteig-Information, Service-Hotline, Tel.: +49 (0)261-97 38 47 0 (Mo – Fr: 8.00 – 17.00 Uhr) E-Mail: info@rheinsteig.de, www.rheinsteig.de +++ Stand: Juni 2020

GPX Download Rheinsteig-Etappe

Die Rheinsteig-Etappen sind sehr gut ausgezeichnet. So auch die Königsetappe St. Goarshausen – Kaub. Wegzeichen ist ein wie geschwunges weißes R auf blauem Grund. Die Zuwege sind gelb markiert. Die GPS-Daten zur Rheinsteig-Königsetappe finden Sie (ohne Zuwege, wenn ich mich richtig erinnere) z. B. auf rheinsteig.de, mit dem Zuweg auch auf meinem Komoot-Profil Astrid Biesemeier: Rheinsteig von Kaub nach Lorch (öffentlich & ohne Anmeldung zugänglich).

Wanderungen und gemeinsame Zeit verschenken

Geschenkidee Wanderer Frankfurt und Rhein-Main-Gebiet

Auch wenn diese Strecke in meinem Wanderverführer nicht enthalten ist: Wanderungen kann man auch verschenken! Mit meinem Wanderverführer Rund um Frankfurt – 55 gute Gründe sich auf die Socken zu machen, kann man laufend etwas erleben: Sie können sich auf die Spuren von Waldgeistern, Bergleuten oder Kelten heften, Schluchten durchstreifen, am Florida-Strand entspannen, die höchste natürliche Steilwand zwischen Nordsee und Alpen bestaunen … Zeit ist das kostbarste Geschenk: Daher vielleicht nicht nur das Buch, sondern auch gemeinsame Zeit verschenken? Einfach den/die Beschenkte/n eine Tour aussuchen lassen und gemeinsam wandern!

Rund um Frankfurt – 55 gute Gründe sich auf die Socken zu machen, München, J. Berg in der Bruckmann Verlag GmbH, 192 Seiten, 15,- Euro, ISBN-13: 978-3862462117 .

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